Radionuklidmigration in Endlagerbarrieren
Untersuchungen zur Radionuklidausbreitung in Endlagerbarrieren am INE beschäftigen sich mit Materialien und Prozessen im Nah- und Fernfeld eines Endlagers für Radioaktive Abfälle, die den Radionuklidtransport und damit die Sicherheit eines Endlagers entscheidend beeinflussen können. Über die langen Zeiträume während der Endlager hohe Sicherheitsstandards erfüllen müssen, ist bei Endlagern in den Wirtsgesteinen Ton und „Kristallin“ damit zu rechnen, dass Grundwasser ins Endlagernahfeld vordringt und Korrosions- und Alterationsprozesse in Gang setzt. Für eine realitätsnahe Betrachtung der Radionuklidmigration ist es unabdingbar Alterationsprozesse zu verstehen und ihren Einfluss auf die Transport- und Rückhalteprozesse quantifizieren zu können. Im Endlagernahfeld stehen dabei zwei Prozesse im Fokus. Zum einen die Alteration von Bentonit in Gegenwart von korrodierendem Eisen und ihr Einfluss auf Radionuklid Sorptions- und Diffusionsprozesse, und zum anderen das Diffusions- und Erosionsverhalten von Bentonit in geklüfteten Wirtsgesteinen, durch das Tonkolloide freigesetzt werden können, die unter ungünstigen Bedingungen den Radionuklidtransport beschleunigen. Natürlich werden auch die Eigenschaften ungestörten Bentonits betrachtet (https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-031-53204-7_3 ).
Forschungsschwerpunkte die sich auf das Fernfeld eines Endlagers beziehen sind: Sorption und Diffusion im heterogenen Tongestein in An- und Abwesenheit von Temperaturgradienten und der kolloidgetragene Transport von Radionukliden im geklüfteten Gestein, diese werden sowohl im Labor wie auch in auf großer Skala in den Untertagelabors in Mont-Terri und Grimsel untersucht.
Abb. 1: (links) Demonstrations-Querschnitt durch ein Endlagernahfeld, ausgestellt im Untertagelabor Mont-Terri (CH, Foto: F. Heberling). Rechts schematisch dargestellt ist der Aufbau eines Mehrbarrieren-Systems für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle und seine zeitliche Entwicklung durch Alterationsprozesse, welche die Eigenschaften der Barriere-Materialien verändern, und somit die Radionuklid-(RN-)-ausbreitung beeinflussen können.
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Forschungsschwerpunkte:
• Übergangsbereich: Stahlbehälter Bentonit
Alteration von Bentonit in Gegenwart von korrodierendem Eisen und ihr Einfluss auf Radionuklid Sorptions- und Diffusionsprozesse.
Im Nahfeld eines Endlagers in Tongestein (und ähnlich auch im „kristallin“ Gestein) werden nach Schließung des Endlagers eine Reihe von Prozessen erwartet, die zur Alteration der Nahfeldmaterialien führen. Im Laufe einiger Jahrzehnte bis Jahrhunderte wird das Endlagernahfeld mit Grundwasser aufgesättigt. Im Kontakt mit Wasser setzen Korrosionsprozesse an Stahlbehälteroberflächen ein, die verbliebenen Sauerstoff schnell aufbrauchen. Nach dem Verbrauch des Sauerstoffes verläuft die Stahlkorrosion anoxisch, unter Produktion von Wasserstoff und Fe(II), weiter. All dies geschieht während der sogenannten thermischen Phase des Endlagers, die einige Hundert bis Tausend Jahre dauern kann, in der sich das Nahfeld auf bis zu 100°C aufheizt und dann wieder auf Umgebungstemperatur abkühlt. Dauert die Behälterkorrosion für einige Jahrtausende an, so wird in verschiedenen Szenarien davon ausgegangen, dass nach ca. 10.000 Jahren mit dem Versagen der ersten Behälter zu rechnen ist. Während dieser Periode kann Bentonit aus der geotechnischen Barriere mit dem Fe(II) das durch die Stahlkorrosion freigesetzt wurde unter erhöhten Temperaturen und bei relativ reduzierenden Bedingungen (gelöster Wasserstoff) reagieren.
Am INE wird mit Experimenten zur Alteration von Bentonit in Gegenwart von korrodierendem Eisen versucht dieses Szenario abzubilden. Die Alteration der im Bentonit enthaltenen Tonminerale (Montmorillonit) wird nachvollzogen und das Diffusions- und Sorptionsverhalten von Radionukliden am alterierten Bentonit untersucht, mit dem Ziel ein verbessertes Verständnis zu erlangen, wie sich Radionuklide, die aus dem Abfall freigesetzt werden, ausbreiten können.
Ergebnisse aus Versuchen mit Bentonitsuspensionen bei 90°C deuten auf eine weitgehende Umkristallisation des Montmorillonits und eine Bildung von Fe(II)-reichen Serpentinmineralen hin, was Hinweise auf mögliche umfassende Veränderungen von Bentoniteigenschaften wie Quellfähigkeit und Ionenaustauschverhalten liefert. Sorptionsexperimente mit Cs-137 weisen tatsächlich auf verringerte Sorptionskoeffizienten der Fe(II)-alterierten Tone hin. Ähnliche Versuche mit kompaktiertem Bentonit zeigen weniger starke Alterationsvorgänge (Montmorillonit bleibt erhalten). Hier verringern sich die Diffusionskoeffizienten für HTO und Cl-36 bei etwa gleichbleibender Porosität, was auf eine Verlangsamung der Radionuklidausbreitung aus dem Endlager, im Vergleich zu einer geotechnischen Barriere aus frischem Bentonit, hinweist. Vergleichbare Bentonit-Alterationsprozesse konnten auch an Proben aus Untertagelaborexperimenten (IC-A, Mont-Terri) nachgewiesen werden. Neben Serpentinmineralen und anderen Fe-Silikaten bilden sich auch Eisenoxide (v.a. Magnetit) und Carbonatphasen (Abb. 2).
Abb. 2: (links) Bentonitprobe aus dem Untertagelaborexperiment IC-A in Mont-Terri, nach über 5 Jahren Kontakt mit einem Stahlcoupon. Rechts gezeigt sind Detailanalysen des alterierten Bentonits. Oben: Eisen-Analyse mit Synchrotron µ-XRF. Spektrale Punktanalysen ergaben hinweise auf Serpentinminerale und Eisenoxyde (Magnetit) als Alterationsproduckte. Unten: Auffällig in der SEM-EDX Analyse sind Calcium Anreicherungen (hellblau) nahe der Stahloberfläche, die auf Calcitausfällungen durch pH-Erhöhung oder Wasserverbrauch bei der Korrosion zurückzuführen sind. Rot und grün eingezeichnet sind Eisenphasen.
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• Bentonit: Diffusion, Quell- und Erosionsverhalten
Diffusions- und Erosionsverhalten von Bentonit
Eine Bentonitbarriere soll in geologischen Tiefenlagern in granitischem Wirtsgestein eingesetzt werden, um den Transport von Radionukliden zu verzögern, die möglicherweise aus korrodierten Behältern freigesetzt werden. In der Grimsel Test Site (GTS), dem Untertagelabor der NAGRA in der Schweiz, untersuchen wir die Stabilität von verdichtetem Bentonit und die Radionukliddiffusion durch ihn hindurch unter geochemischen Bedingungen, die für ein geologisches Tiefenlager in kristallinem Wirtsgestein repräsentativ sind. Im internationalen Projekt: Colloid Formation and Migration (CFM) wurde im Rahmen des Langzeit-In-situ-Tests (LIT) eine Quelle verdichteter FEBEX-Bentonitringe mit Radionuklid-Tracern, darunter 99Tc, 233U, 237Np, 242Pu und 241Am, um einen Kohlenstoffstahldorn herum in eine wasserführende Scherzone in Grimsel eingebracht (Abb. 3). Der LIT dauerte 4,5 Jahre und wurde von einem entsprechenden Labortest begleitet, bei dem die Radionukliddiffusion durch einen vergleichbaren FEBEX-Bentonit-Ring untersucht wurde, der zwischen zwei Plexiglasplatten angeordnet war, die durch eine 1 mm breite künstliche Kluft voneinander getrennt waren (Abb. 4). Derzeit wird eine Post-Mortem-Analyse durchgeführt, um den Einfluss der Korrosionsprodukte des Kohlenstoffstahldorns sowie der geochemischen Bedingungen des Granodiorit-Wirtsgesteins auf die Radionukliddiffusion im LIT im Vergleich zu den einfacheren Laborbedingungen des Modells zu untersuchen.
https://www.grimsel.com/gts-projects/cfm-section/cfm-lit-long-term-in-situ-test
Abb. 4: (a) Ausschnitt aus dem überkernten LIT mit dem gealterten Bentonit, der den Kohlenstoffstahldorn umgibt, eingeschlossen in das Granodioritgestein des Grimsel-Labors. Proben des Bentonits wurden herausgebohrt, um mineralogische Analysen durchzuführen und sekundäre Mineralphasen an der Grenze zwischen Kohlenstoffstahl und Bentonit an verschiedenen Stellen des Bentonitrings zu untersuchen. (b) Aufbau des Modellversuchs in einer Ar-Handschuhbox im Kontrollbereich des INE. Das Quellen des Bentonits durch die Sättigung mit Grimsel-Grundwasser führte zur Bildung eines Gels, das als Halo um den inneren Bentonit-Ring sichtbar ist. Aus der Gelschicht werden kontinuierlich Bentonitpartikel erodiert.
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• Sorptions- und Diffusionsprozesse im Wirtsgestein Ton
Sorption und Diffusion im heterogenen Tongestein
Arbeiten zum Wirtsgestein Ton am INE fokussierten in den letzten Jahren vor allem auf Opalinuston aus Mont-Terri, und hierbei insbesondere auf die Quantifizierung der Heterogenität der sandigen Fazies des Opalinustons und die Untersuchung des potentiellen Einflusses der Heterogenität auf die Radionuklidmigration. Hintergrund der Untersuchungen ist, die zu erwartende Heterogenität in Deutschland vorkommender potentiell als Wirtsgestein geeigneter Tongesteine, die es erforderlich macht Wege zu finden, wie man in Sicherheitsbetrachtungen für tiefengeologische Endlager mit Gesteinsheterogenitäten umgehen kann.
Tongesteine als natürliche, üblicherweise geschichtete Sedimentgesteine weisen, wie in Abb. 5 schematisch dargestellt, auf unterschiedlichen Skalen und in unterschiedlichen Richtungen ganz verschiedene Formen von Heterogenität auf.
Die Untersuchungen der letzten Jahre am INE haben gezeigt, dass die Heterogenität von Tongesteinen nicht einfach zu fassen ist. Beim Versuch die Heterogenität über ein repräsentatives Elementarvolumen (REV) zu quantifizieren, ändert sich die Heterogenität je nach dem in Betracht gezogenen Parameter (z.B.: visuelle Charakterisierung, Mineralogie, Radionuklid-Sorption). Optisch Erkennt man Unterschiede zwischen Bereichen reich an toniger Matrix und sand- und kalkreichen Konkretionen sehr gut. Dementsprechend müsste entlang eines Bohrkerns (ca. senkrecht zur Schichtung) über einen Bereich > 1m gemittelt werden, um ein einheitliches Erscheinungsbild mit < 10 % Abweichung von benachbarten Bereichen zu erhalten. Parallel zur Schichtung weisen im Abstand von 20 m erbohrte Bohrkerne jedoch ein nahezu identisches Erscheinungsbild auf, sodass entlang der Schichtung von einer außerordentlichen Homogenität auszugehen ist.
Bei einer mineralogischen Charakterisierung fällt auf, das völlig unterschiedliche REVs auf der mikroskopischen Skala (ca. (340 µm)3) und auf einer makroskopischen Skala ermittelt werden, wo eine Gesteinsprobe von ca. 100 cm3 als repräsentativ für eine Gesteinsschicht oder Subfazies angesehen werden kann.
Eine gute Nachricht für Sicherheitsbetrachtungen ist, dass die Heterogenität auf den wichtigen Faktor Radionuklidsorption noch weniger Einfluss hat. Hier liefern schon Gesteinsproben in der Größenordnung 10 cm3 (8-27 cm3) repräsentative Ergebnisse für die gesamte sandige Fazies des Opalinustons. Eine konzeptionelle Darstellung der Ermittlung eines REVs und des damit verbundenen Bereichs relativer Homogenität ist in Abb. 6 dargestellt. Sie verdeutlicht die Skalenabhängigkeit eines REVs, und die Abhängigkeit von oftmals beliebig gewählten oder auch methodenabhängigen Limits der Datenstreuung, die für die Ermittlung eines REVs herangezogen werden.
Abb. 6: Konzept der statistischen Ermittlung eines repräsentativen Elementarvolumens (REV). Mit steigender Probengröße verringert sich die Datenstreuung, bis alle Proben im Rahmen bestimmter Limits entsprechende Ergebnisse liefern und daher als repräsentativ angesehen werden können. Erreicht das Probenvolumen eine Größe wo benachbarte Mineralkörner / Sedimentschichten / Fazies beprobt werden (je nach Anwendungsskala), werden wieder abweichende Ergebnisse erzielt.
Die Untersuchungen zu heterogenen Tongesteinen laufen weiter und werden auf Diffusionsexperimente sowohl im Untertagelabor Mont-Terri (https://www.mont-terri.ch/de) wie auch auf der Laborskala ausgedehnt. Auch Effekte unterschiedlicher Temperaturen und von Temperaturgradienten werden hierbei miteinbezogen. Abbildung 7 zeigt beispielhaft erste Ergebnisse eines µCT-Scans eines Tongesteins vor und nach dem Kontakt mit einer konzentrierten CsCl-Lösung. Cs+, das bekanntlich vor allem mit Tonmineralen interagiert, zeigt nach der Diffusion eine deutlich heterogene Verteilung (hell rosa Bereiche) innerhalb der Tongesteinsscheibe.
Abb. 7: In Epoxid-Harz eingebettete Tonsteinscheibe (2,5 cm Durchmesser, 1 cm dick), die vor und nach dem Kontakt mit 0,5 M CsCl-Lösung per µCT untersucht wurde. Nach der Diffusion zeigt Cs+ eine deutlich heterogene Verteilung innerhalb des Tongesteins. Die absolute Farbskala setzt einen Wert von 20 für das Epoxidharz und einen Wert von 100 für die hellsten dichten Mineralpartikel (Baryt/Cölestin).
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• Kolloidgetragener Radionuklidtransport im granitischen Wirtsgestein
Radionuklidtransport im Wirtsgestein „Kristallin“
Im Falle eines Versagens des Bentonit-Barrieresystems kann die Radionuklidmigration im kristallinen Gestein durch advektiven Transport über wasserleitende Klüfte erfolgen. Im Grundwasser der Grimsel Test Site sind Bentonitkolloide aufgrund des hohen pH-Wertes von ca. 9.7 und der geringen Ionenstärke von ca. 1 mM besonders stabil. Diese Bedingungen sind ideal, um das mögliche zukünftige Eindringen von Gletscherschmelzwasser oder gering mineralisiertem Regenwasser in ein geologisches Tiefenlager in kristallinem Wirtsgestein zu simulieren. Mit einer Serie von in-situ-Radionuklid-Tracer-Tests, die 2001 begonnen und in einer Scherzone im Granodioritgestein des Grimsel-Testgeländes durchgeführt wurden (Abb. 8 und 9) wurde gezeigt, dass U(VI) und Np(V) hauptsächlich als gelöste Spezies transportiert werden, während Th(IV), Pu(IV) und Am(III) hauptsächlich adsorbiert an Bentonitkolloide migrieren. In-situ-Versuche in einem Bereich der Scherzone, der von Lamprophyr-Intrusionen durchschnitten wird, sind derzeit im Rahmen des CFM-Projekts geplant. Zur Vorbereitung und Unterstützung dieser bevorstehenden in-situ-Tests führen wir Laborexperimente durch, um die Mineralogie und die Sorptionseigenschaften der Lamprophyr-Intrusionen zu charakterisieren.
https://www.grimsel.com/gts-projects/cfm-section/cfm-lit-long-term-in-situ-test.
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