HGF-Infrastrukturprojekt HOVER
Die im Programm NUSAFE kooperierenden HGF-Zenren FZJ, HZDR und KIT realisieren seit 2020 an den drei Standorten die dezentrale Laborinfrastruktur "HOVER" (Helmholtz Research and Technology Platform for the Decommissioning of Nuclear Facilities and for the Management of Radioactive Waste), um die wissenschaftliche Basis für notwendige technologische Entwicklungen im Rahmen des deutschen Ausstiegs aus der Kernenergienutzung auszubauen. Zu diesem Zweck bietet HOVER einzigartige Großanlagen für die Entwicklung und Demonstration innovativer Stilllegungstechnologien. Ebenso relevant ist die Bereitstellung von radiochemischen Laboratorien, die mit modernsten Instrumenten zur Untersuchung von Radionukliden einschließlich α-emittierender Aktiniden und nuklearen Abfallformen ausgestattet sind. Es gilt diejenigen Prozesse im Detail zu verstehen, die das Verhalten der Abfallformen und der in ihnen enthaltenen Radioelemente in den derzeitigen Zwischenlagern und einem zukünftigen tiefengeologischen Endlager über die jeweils relevanten Zeiträume bestimmen. Entsprechende Laborinfrastrukturen sind in Deutschland nur noch an den drei genannten Helmholtz-Zentren verfügbar. Somit tragen diese eine besondere Verantwortung für die Forschung im Zusammenhang mit einem wesentlichen Aspekt der erfolgreichen Umsetzung der deutschen Energiewende: dem sicheren Rückbau der abgeschalteten Nuklearanlagen und der langfristigen Entsorgung der hochradioaktiven Abfallformen aus der beendeten Kernenergienutzung. Im Rahmen von HOVER wird das komplementäre Fachwissen der NUSAFE-Partner synergetisch durch die Entwicklung spezifischer Infrastrukturen kombiniert. Die im Rahmen der HOVER-Plattform durchgeführte Forschung umfasst verschiedene Themengebiete, die sich mit der gesamten Kette von der Stilllegung, der Abfallkonditionierung und schliesslich der sicheren Entsorgung nuklearer Abfälle befassen.
Beschleuniger - Massenspektrometrie (AMS)
Am KIT-INE wird ein „Multi-Isotope Low-Energy AMS“ (MILEA)-System der Firma Ionplus AG (CH) installiert. MILEA (Abb. 1) verfügt über einen 300 kV Tandembeschleuniger und einen kompakten Aufbau, der für die Analyse der seltenen, langlebigen Radionuklide 10Be, 14C, 26Al, 41Ca, 129I und die Aktiniden im Ultraspurenbereich optimiert ist.
Für das AMS-Labor wird ein neues Gebäude (B. 703, Abb. 2) neben dem Hauptgebäude des KIT-INE errichtet, in dem die MILEA-Anlage sowie ein Reinraumlabor der ISO-Klasse 4 für die Probenvorbereitung unterkommen. Die Probenvorbereitung in einem Reinraumlabor wird den allgegenwärtigen Hintergrund durch den globalen Fallout deutlich verringern und so eine weitere Steigerung der analytischen Empfindlichkeit insbesondere für die Aktiniden ermöglichen.
Die Bauarbeiten für das neue AMS-Labor sollen im ersten Quartal 2025 beginnen, während die Installation und Inbetriebnahme von MILEA voraussichtlich bis Mitte 2026 abgeschlossen sein wird.
Die Analyse seltener, langlebiger Radionuklide im fg-Level [Link zu Analytics – Massenspektrometrie – AMS], ermöglicht die Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen zum Verhalten von Radionukliden in der Umwelt und in Laborexperimenten, die mit anderen massenspektrometrischen und radiometrischen Techniken nicht beantwortet werden können. Die extreme Empfindlichkeit der AMS eröffnet weiterhin den Zugang zu Vorgängen in geochemischen Systemen, die über einen Zeitraum von Jahrzehnten zurückliegen. Dies wurde im Rahmen von „In-situ Radionuklid Tracer Tests“ an der „Grimsel Test Site“ gezeigt.
Themenfelder für das neue AMS-Labor am KIT-INE sind bisher unbeantwortete Fragen zur Sicherheit der nuklearen Entsorgung, zur Bestimmung des Status „quo ante“ bei der Stilllegung kerntechnischer Anlagen, sowie grundlegende Forschung zum geochemischen Verhalten von relevanten Radionukliden in der Umwelt.
Ansprechpartner:
Dr. Francesca Quinto +49 721 608 22233
FIB-SEM
Überblick
Die Analysemöglichkeiten der INE-Gruppe für Oberflächenanalytik wurden im Rahmen der Helmholtz-finanzierten Technologieplattform HOVER für die Forschung zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen und Entsorgung radioaktiver Abfälle mit einem Rasterelektronenmikroskop – Zeiss FIB-SEM, Modell Crossbeam 350 KMAT, mit fokussierter Ionenstrahlquelle und fs-Laser-Ablationsmodul erweitert.
FIB-SEM Betrieb:
- Femtosekunden Laser - Strukturierung und Reinigen
- Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS)
- Elektronenrückstreubeugung (EBSD)
- TEM-Lamellenpräparation
- Gasinjektionssysteme (GIS) für die C oder Pt Abscheidung und Kontaktierung
- Nanostrukturierung und Polieren mit fokussiertem Ionenstrahl (FIB)
- 2D- und 3D-Topographie- und Elementzusammensetzung
- Betrieb mit niedrigem, variablen Druck (N2).
Bildgebungsmodi:
- Sekundärelektronen (SE) für die Abbildung der Oberflächentopographie
- Rückgestreute Elektronen (BSE) für Materialkontrastbilder
- STEM-Detektor für dünne Proben und Partikel
- EBSD-Detektor für die ortsaufgelöste Kristallstrukturanalyse
Large Area Mapping (LAM) mit SEM-EDX ist eine automatische Datenerfassung von einer großen Fläche mittels Kartierung mehrerer kleinerer Felder und deren Zusammenfügung. Sekundär- und Rückstreuelektronenbilder sowie Röntgensignale werden gleichzeitig erfasst.
Abb.3: EDS LAM Haupt- und Nebenphasen von sandigen Facies des Opalinustons, Mont Terri. Probendurchmesser Ø = 25,4 mm, für das gesamte LAM wurden 368 EDS-Felder zusammengesetzt, wobei die Anzahl der Punkte pro LAM 256 x 192 Pixel beträgt, insgesamt 18 Millionen Spektren.
Abb.4: Monte-Carlo-Simulation der Elektronenstrahl-Wechselwirkung mit Sekundärphase und Cu-Ni Coupon bei einer Beschleunigungsspannung von 15 kV (A) mittels Software CASINO v2.48 (PE: Primärelektronen, BSE: Rückstreuelektronen, SE: Sekundärelektronen). Das SEM-Bild der Sekundärphase (B), die quantitative EDS-Analyse (C) und EBSD-Indizierung (D) bestätigen die Bildung von Cu2O als Sekundärphase auf der Cu-Ni Legierung nach 6-monatigem Kontakt mit einer MX-80-Bentonitaufschlämmung.
Ansprechpartner:
Dr. Natalia Müller +49 721 608 24602
Mikrocomputertomographie ( µ-CT)
Zur Untersuchung von Festkörperproben und ihrer internen Morphologie wurde am INE darüber hinaus ein Zeiss Xradia 620 Versa Röntgenmikroskop (µ-CT) für mikrotomographische Messungen in Betrieb genommen. Die Kombination von FIB-SEM und Röntgenmikroskopie ermöglicht im Prinzip skalenübergreifende Untersuchungen von Materialien vom Dezimeter- bis zum Nanometerbereich. Im Rahmen einer intensiven Schulungsphase wurden Proben aus verschiedenen Forschungsbereichen des INE charakterisiert - etwa zur Abbildung der 3D-Morphologie von Bohrkernproben aus dem Wirtsgestein von Untertagelaboren (im Rahmen von Feldstudien zur Radionuklidmigration) oder von Sandsteinformationen, die im Zusammenhang mit einer möglichen geothermischen Energiespeicherung auf dem Campus Nord des KIT erforscht werden. Eine kundenspezifisch angefertigte In-situ-Diffusionszelle für Tomographieexperimente bei erhöhten Temperaturen und Drücken (z.B. zur Untersuchung reaktiver Transportprozesse) wird derzeit für das Xradia μ-CT-Instrument implementiert.
Ansprechpartner:
Dr. Tim Prüßmann +49 721 608 22135
Oberflächenanalytik mit Raster-Kraftmikroskopie (Atomic Force Microscopy - AFM)
Die Raster-Kraft-Mikroskopie (= Atomic Force Microscopy: AFM) dient der Abbildung von Oberflächenstrukturen. Durch in-situ Messungen in Lösung können Veränderungen während chemischen Reaktionen wie Kristallwachstum und -auflösung oder Korrosion direkt abgebildet werden. Am INE steht ein Cypher VRS-1250 AFM von Oxford Instruments (Abb. 1) mit einigem Zubehör wie einer elektrochemischen Zelle und der Force Mapping Option zur Verfügung, mit dem diverse Messmodi und Messgeschwindigkeiten bis hin zum Video-Rate-Scanning verwirklicht werden können. Abbildung 2 verdeutlicht exemplarisch den abgedeckten Messbereich von Messungen auf der atomaren Skala auf einem Calcit-Einkristall bis hin zu relativ großskaligen Rauhigkeitsmessungen auf einer polierten Stahloberfläche.
Ansprechpartner:
Dr. Frank Heberling +49 721 608 24782
BIM D²-Lab
Die Digitalisierung bietet viele Vorteile auch beim Rückbau kerntechnischer Anlagen. Um auch diesen Themenbereich beim Rückbau kerntechnischer Anlagen adäquat abdecken zu können, wurde hierfür am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) im Fachbereich Rückbau konventioneller und kerntechnischer Bauwerke (https://www.tmb.kit.edu/RKKB.php) ein Digitalisierungslabor mit dem Namen BIM D² (Building Information Modeling Decommissioning & Deconstruction) ins Leben gerufen. Hierfür werden derzeit Räumlichkeiten am Campus Ost ausgebaut. Da es beim Bau zu erheblichen Zeitverzögerungen kam, wurde am TMB eine räumliche Überganglösung erschaffen. Die Fertigstellung und der Bezug des BIM D2 Labs am Campus Ost erfolgen im Laufe des Jahres 2025.
Ansprechpartner:
Madeleine Bachmann, M.Sc. +49 721 608 41577